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Politische Forderungen an Katastrophenschutz sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Der Datenabfluss in der Einsatzkräfte-Alarmierung von Rettungsleitstellen dauert auch 2 Jahre nach unserer Veröffentlichung immer noch an.

Alleine im Sommer 2024 konnten wieder in 9 Rettungsleitstellen-Bereichen die personenbezogene Daten von Hilfesuchenden und die damit verbundenen Einsatz-Informationen einfach über das Internet mitgelesen werden.

Wir haben dies zum Anlass genommen, noch einmal konkrete Forderungen an die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen zu formulieren.

Für den Bereich Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sowie den Katastrophenschutz sind diese unten aufgeführt. Die Übersicht unserer Forderungen für alle Sektoren findet sich hier.

  1. Ausnahmslos alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) der Bundesländer müssen verbindlich das abhörsichere und hochverfügbare BOS-Digitalfunknetz nutzen. Denn im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr (Rettungsdienst, Feuerwehr, Katastrophenschutz) kommen bundesweit aktuell immer noch analoger Sprechfunk und unverschlüsselte digitale Alarmierungstechnik zum Einsatz. Sie können lokal einfach abgehört werden und wurden in der Vergangenheit im großen Umfang im Internet frei zugänglich gemacht. Lediglich die Polizei nutzt flächendeckend den abhörsicheren BOS-Digitalfunk.
    1. Wir fordern zur Härtung des BOS-Digitalfunk-Zugangsnetzes von jedem Bundesland den Betrieb eigenbeherrschter Übertragungsleitungen, die nach Gesichtspunkten der Ausfallsicherheit verlegt und nicht vom billigsten Anbieter angemietet werden.
    2. In jedem Bundesland müssen stationäre Netzersatzanlagen mit mindestens 72 Stunden Überbrückungszeit an allen BOS-Digitalfunk-Basisstationen verbaut werden. Die aktuelle unterbrechungsfreie Batterieversorgung mit nur wenigen Stunden Überbrückungszeit ist nicht ausreichend.
    3. In jedem Bundesland müssen proportional zur Fläche und Bevölkerung ausreichend viele – jedoch mindestens drei – Satelliten-angebundene mobile Basisstationen (Sat-mBS) zur Verfügung stehen, welche ausgefallene stationäre BOS-Digitalfunk-Basisstationen kurzfristig ersetzen können.
      Zur Einordnung: Beim Hochwasser im Ahrtal 2021 waren ca. 60 stationäre BOS-Digitalfunk-Basisstationen über mehrere Tage ausgefallen. Es kamen dort alle zehn bundesweit existenten Sat-mBS zum Einsatz. Dies war nicht ausreichend.
    4. Wir fordern mittelfristig die Teilnahme aller kommunalen Ordnungsbehörden am BOS-Digitalfunk. Denn mit der letzten Überarbeitung der „Anerkennungsrichtlinie Digitalfunk BOS“ können auch kommunale Ordnungsbehörden auf Antrag am BOS-Digitalfunk teilnehmen. Insbesondere im Katastrophenfall wäre so eine definierte, hochverfügbare Schnittstelle zwischen BOS und kommunaler Verwaltung sichergestellt.
  2. Die Alarmierung der Einsatzkräfte (insbesondere Rettungsdienst, Feuerwehr, psychosoziale Notfallversorgung) muss zwingend verschlüsselt vorgenommen werden.
    1. Sollte die zeitnahe kommunale Finanzierung von verschlüsselungsfähigen Endgeräten nicht möglich sein, dann hat das Bundesland zwingend in Vorleistung zu treten. Denn die Alarmierungsnetze liegen in 14 der 16 Bundesländer aktuell in kommunaler Trägerschaft.
    2. Die kommunal betriebenen Alarmierungs-Netze müssen gegen langanhaltende Stromausfälle von bis zu 72 Stunden gehärtet werden. Ebenso ist der eigenbeherrschte Betrieb der Übertragungsleitung gegenüber der Anmietung kommerzieller Übertragungs-Netze vorzuziehen. Bei den Alarmierungs-Netzen muss ein vergleichbares Resilienz-Niveau wie beim BOS-Digitalfunknetz erreicht werden.
    3. Kommunale Betreiber von Webservern für Alarmierungs-Nachrichten müssen zu Zugangsbeschränkungen und starken Passwörtern verpflichtet werden. Wenn immer möglich, ist eine Zwei-Faktor-Authentisierung (MFA) anzustreben. Sicherheits-Updates müssen zeitnah eingespielt werden. Angehörigen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben muss der private Betrieb von Webservern für Alarmierungs-Nachrichten untersagt werden.
    4. Die Verantwortung für den Betrieb der Alarmierungseinrichtungen muss mittelfristig von den Kommunen auf das Bundesland übergehen. Dies muss in den 16 Landesgesetzen für Brand- und Katastrophenschutz festgeschrieben werden.
    5. Eine generelle Harmonisierung der 16 Landesgesetze für Brand- und Katastrophenschutz ist anzustreben.
    6. Die Innenministerien der Bundesländer müssen eine fortlaufende Evaluierung der technischen Möglichkeiten zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen Rettungsleitstellen und Hilfsorganisationen durchführen. Allen Hilfsorganisationen muss der aktuelle Stand der Kommunikationstechnik zur Verfügung gestellt werden.
  3. Die Mittel zur Warnung der Bevölkerung müssen flächendeckend vorhanden und regelmäßig getestet werden.
    1. Der Betrieb und die Beschaffung von Warnmitteln zur Warnung der Bevölkerung müssen explizit in die Hände der Länder gelegt werden. Derzeit delegieren die Länder diese wichtige Aufgaben an die Kommunen, statten die Kommunen dann aber nicht mit den notwendigen Finanzmitteln aus. Im Ergebnis gibt es nicht überall Sirenen. Beispielsweise ist auch die Anbindung von Stadtinformationssystemen an das Modulare Warnsystem (MoWaS) äußerst heterogen.
    2. Wir fordern die verpflichtende Teilnahme aller Kommunen am bundesweiten Warntag. Aktuell erfolgt die Teilnahme am bundesweiten Warntag auf freiwilliger Basis.
  4. Wir fordern die Errichtung eines Kommunal-CERT in allen Bundesländern. Entweder als Aufgabe des Landes-CERT oder als eigene Struktur. Dieses sollte für alle Einrichtungen auf kommunaler Ebene zum Einsatz kommen, wie etwa Rathäuser, Kreisverwaltungen und Rettungsleitstellen. Nur so kann das Gemeinwesen der Bundesländer auf allen Ebenen resilienter gestaltet werden. Insbesondere gegen Bedrohungen aus dem Cyber-Raum und großflächige Ausfälle landesweiter IT-Infrastruktur. In den meisten Bundesländern ist das Landes-CERT nicht zuständig für kommunale Einrichtungen, sondern nur für Behörden und Ämter des Landes und landeseigene Betriebe.

Das Titelbild wurde von Karl Gruber angefertigt und via Wikimedia Commons veröffentlicht. Das Bild steht unter CC BY-SA 4.0 Lizenz.

Das Dunkelfeld in der Auswertung zum Warntag 2023

Was die Umfrage zum bundesweiten Warntag 2023 nicht aussagt

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat Ende Mai 2024 die Auswertung zur Umfrage zum bundesweiten Warntag 2023 veröffentlicht.

Dieser Bericht behandelt die Erkenntnisse, die aus der Online-Umfrage der Bevölkerung zum bundesweiten Warntag 2023 gesammelt wurden. Der Fokus der Umfrage liegt also auf den Empfängern der Warnungen. Obwohl Experten dies vorausgesagt haben, freuen wir uns trotzdem über die wissenschaftliche Bestätigung, dass die Einführung von Cell Broadcast eine gute Idee war und Cell Broadcast überraschend viele BürgerInnen erreicht. Die Wichtigkeit von Cell Broadcast im Warnmittelmix wurde aus unserer Sicht am Warntag bestätigt.

Die AG KRITIS steht jedoch auch im regelmäßigen Austausch mit Katastrophenschutz-Behörden und Rettungsleitstellen im Bundesgebiet, also den Versendern der Warnungen. Deren Erfahrungen mit dem bundesweiten Warntag, ggf. regionalen Warntagen und „echten“ Warnungen der Bevölkerung werden im oben genannten Bericht des BBK leider nicht abgebildet.

Ein Beispiel aus dem Hochwasser in Südwestdeutschland im Mai 2024:
Wie schon im Juli 2021 war Rheinland-Pfalz massiv betroffen, jedoch in anderen Landesteilen. Während im Ahrtal heute flächendeckend elektronische Sirenen mit Hochleistungs-Lautsprechern in Betrieb sind und regelmäßig getestet werden, konnte im nun betroffenen Landkreis Südwestpfalz die Bevölkerung oft nur mittels mobiler Lautsprecheranlagen gewarnt werden.
Zwar läuft seit 2022 auch in dieser Region der Sirenenausbau in hochwasser-gefährdeten Gebieten und Sirenen sind teilweise bereits installiert. Sie konnten beim Hochwasser im Mai 2024 jedoch noch nicht sinnvoll zum Einsatz kommen. Der Grund dafür ist die mangelnde Koordination durch das Land.

Auch mehr als 3 Jahre nach der Flut im Ahrtal sind technische Details zur Ansteuerung der Sirenen noch offen bzw. es fehlt an landes-einheitlichen Festlegungen und Vorgaben für die Kommunen und Gemeinden, wie mit den neuen Sirenen umgegangen werden soll. Die Kommunen und Gemeinden haben keine verbindlichen Vorgaben in welchen Szenarien und Gefahrenlagen alarmiert werden soll. Da die neuen Lautsprechersirenen in der Lage sind, sowohl Warntöne, als auch Lautsprecherdurchsagen zu übermitteln benötigt es auch hier Vorgaben, welche Töne oder Durchsagen in welcher Art verwendet werden sollen. Für diese Notwendigkeit ist der technische Fortschritt verantwortlich: Die alten, analogen Sirenen haben den Klang mechanisch generiert – damit war der genaue Klang ab Werk unveränderbar und eine Vorgabe dieser Art nicht notwendig.

Es braucht genaue Festlegungen,

  • von ausformulierten Warnmitteilungen für definierte Schadenfälle (z.B. allgemeine Gefahrenlage Hochwasser, flächendeckender Stromausfall),
  • für die alleinige Verwendung eines bestimmten Sirenen-Warntons, bzw.
  • für einen Sirenen-Warnton kombiniert mit gesprochenen Warnmitteilungen (z.B. „Achtung Achtung, hier spricht ihre Feuerwehr, Gefahr, ich wiederhole, Gefahr, verlassen sie sofort dieses Gebiet, informieren sie sich über die Medien oder Warn-App, halten sie den Notruf frei„) und,
  • von Alarmierungsadressen für die Ansteuerung über das kommunale digitale Alarmierungsnetz und das BOS-Digitalfunknetz

Derzeit muss jede Verbandsgemeinde-Verwaltung (als unterste Verwaltungsebene in Rheinland-Pfalz und Betreiber der Sirenen) bei ihrer Kreisverwaltung nachfragen, die wiederum bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nachhakt. Diese verweisen nur auf eine zukünftige landes-einheitliche Regelung, können aber nicht konkret weiterhelfen.

Einige Kreise legen daher die technischen Details zur Sirenenalarmierung selber fest. Gut vernetzte Verbandsgemeinden übernehmen die eine oder andere Festlegung, so entsteht dann eine bunter Flickenteppich an verschiedenen Umsetzungen. Andere Kommunen nehmen ihre neu aufgebauten Sirenen aufgrund dieser Rechtsunsicherheit gar nicht erst in Betrieb und warten eine landes-einheitliche Vorgabe ab.

Unser Sprecher Manuel Atug dazu: „Katastrophenschutz ist keine kommunale Spielwiese!

Die AG KRITIS fordert im Nachgang zum bundesweiten Warntag 2023 deshalb:

  1. Die Mittel zur Warnung der Bevölkerung müssen flächendeckend vorhanden und regelmäßig getestet werden.
    1. Der Betrieb und die Beschaffung von Warnmitteln zur Warnung der Bevölkerung müssen explizit in die Hände der Bundesländer gelegt werden. Derzeit delegieren die Länder diese wichtige Aufgaben an die Kommunen, statten die Kommunen dann aber nicht mit den notwendigen Finanzmitteln und technischen Vorgaben aus. Im Ergebnis gibt es nicht überall Sirenen und beispielsweise die Anbindung von Stadtinformationssystemen an das Modulare Warnsystem (MoWas) ist äußerst heterogen.
    2. Wir fordern die verpflichtende Teilnahme aller Kommunen am bundesweiten Warntag. Aktuell erfolgt die Teilnahme am bundesweiten Warntag auf freiwilliger Basis.
  2. Sirenen-Warnung muss endlich einheitlich festgelegt werden:
    1. Kurzfristig muss jedes Bundesland klare Festlegungen treffen hinsichtlich der verwendeten Sirenen-Warntöne, der über elektronische Sirenen gesprochenen Warnmitteilungen, der technischen Festlegungen wie Alarmierungsadressen und der organisatorischen Abläufe wie Standort-Genehmigungsverfahren mit der Bundesnetzagentur. Diese Festlegungen müssen den Kommunen als Betreiber der Sirenen klar kommuniziert werden.
    2. Eine bundesweite Harmonisierung der verwendeten Sirenen-Warntöne und der über elektronische Sirenen gesprochenen Warnmitteilungen ist anzustreben.
  3. Wir empfehlen einen jährlichen regionalen Warntag je Bundesland. Dieser sollte halbjährlich versetzt zum bundesweiten Warntag durchgeführt werden. Damit bestünde die Möglichkeit, umgesetzte Maßnahmen zur Warnung der Bevölkerung auch zwischen den jährlichen bundesweiten Warntagen zu validieren.
    In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern haben sich diese regionalen Warntage im März bereits bewährt.
  4. Ferner ist ein Landes-Förderprogramm zum Sirenen-Ausbau je Bundesland zu empfehlen. Diese können zusätzliche Mittel bereitstellen, unabhängig vom bereits ausgeschöpften bundesweiten Sirenen-Förderprogramm. Jede Kommune in jedem Bundesland sollte Sirenen zur Warnung der Bevölkerung vorhalten.

Vielen Dank für das Foto an Mufid Majnun auf Unsplash

Bundesweiter Warntag 2023: AG KRITIS fordert bundesweite Gesetzesreform für Katastrophenschutz

Bundesweiter Warntag am 14.09.2023: AG KRITIS fordert Stärkung der Warnsysteme und bundeseinheitliche Gesetzgebung

Morgen, am 14. September 2023 werden um 11:00 im Rahmen des bundesweiten Warntages die Katastrophenwarnsysteme in ganz Deutschland getestet.

Unser Sprecher Manuel Atug dazu: „Katastrophenschutz ist keine kommunale Spielwiese!“ –

Johannes Rundfeldt mahnt: „Katastrophenwarnung und deren Übung darf nicht optional sein!“

Wir fordern dringend eine bundeseinheitliche Harmonisierung der Landesgesetze für Brand- und Katastrophenschutz. Die Verantwortung für den Betrieb und die Beschaffung der Warnmittel soll explizit in die Hände der Länder gelegt werden. Derzeit delegieren die Länder diese wichtige Aufgaben an die Kommunen, statten die Kommunen dann aber nicht mit den notwendigen Finanzmitteln aus. Im Ergebnis gibt es nicht überall Sirenen und z.B. die Anbindung von Stadtinformationssystemen ist äußerst heterogen.

Im Rahmen des bundesweiten Warntages erwarten wir, dass in allen drei Mobilfunknetzen 4-stellige Message ID Warnnachrichten per Cell Broadcast ausgesendet werden. Der Stichtag für die Umsetzung dieses Standards wurde bereits im Februar 2023 erreicht. Bedauerlicherweise unterliegt der Stichtag für die Umsetzung von 3-stelligen Message IDs, eine weitere Übergangsfrist, bis 24. Februar 2024.
Dies bedeutet, dass ältere Handys, insbesondere 2G-Geräte und Senioren-Handys – auch bekannt als „Tastentelefone“ – weiterhin nicht von Cell Broadcast Warnungen erreicht werden.
Möglicherweise wird, wie schon im Dezember 2022, immerhin die Telekom Cell Broadcast-Nachrichten für ältere Geräte aussenden.

Die AG KRITIS kritisiert die Tatsache, dass Kommunen die Teilnahme am bundesweiten Warntag freiwillig wählen können, jedoch nicht verpflichtet sind. Ein effektiver Warntag kann nur gewährleistet werden, wenn alle Beteiligten aktiv mitwirken.
Generell begrüßen wir jedoch den Warntag und sehen in ihm eine wichtige Möglichkeit, die Funktionsweise der Warnmittel zu testen und sicherzustellen, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger erreicht werden. Alle Menschen in Deutschland können durch den Warntag die Funktionsweise der verschiedenen Systeme erfahren und so im Ernstfall noch schneller reagieren.

Beim letzten Warntag konnten nach einer repräsentativen Umfrage des BBK  90,8% der Bevölkerung mit mindestens einem Warnmittel erreicht werden. Das sind schon sehr gute Werte, damit die Durchdringung des Warnmittelmixes auch dieses Mal geprüft werden kann, empfehlen wir allen Bürgerinnen und Bürgern, die eigenen Erfahrungen am diesjährigen Warntag an das BBK zurückzumelden.

 

Foto von Etienne Girardet auf Unsplash