DIY Notstromanlage – ein Erfahrungsbericht

Die Unwetterkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz hat gezeigt, dass die Befürchtungen vieler Wissenschaftler schnell Realität werden können. Innerhalb von nur wenigen Stunden waren ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten. Ich selbst war mit im Krisengebiet, da meine Eltern und viele Freunde aus der Schulzeit dort wohnen. Das Bild vor Ort kann man nicht beschreiben.

Update 26.08.2021: Das Projekt ist in der stetigen Weiterentwicklung und wir freuen uns über eure Kommentare. Wir haben daher den Artikel erweitert. Ihr könnt mir gerne eine DM zukommen lassen auf Twitter

 

Wir als Gesellschaft sind gewohnt, dass alles funktioniert. Wir sind abhängig von funktionierenden Infrastrukturen. Diese Tatsache ist als Verletzlichkeitsparadoxon bekannt und gilt gerade für kritische Infrastrukturen als Hauptargument, um diese zu schützen. Es gibt mehrere Gesetze, um die Sicherheit und Verfügbarkeit dieser Infrastrukturen zu gewährleisten. Naturkatastrophen können jedoch unberechenbar und verheerend sein.

Die Gebiete, in denen ich war, wurden gerade am Anfang relativ wenig von THW und Feuerwehr unterstützt, da erst einmal die Dämme und überflutete Gebiete versorgt werden mussten. Es gab vor Ort oft keinen Strom, kein sauberes Wasser und keine Kommunikation. Aufgrund des Ausfalls des Mobilfunknetzes war bei sehr vielen Handys der Akku viel schneller als üblich leer, weil Handys in diesen Situationen mit maximaler Leistung nach verfügbaren Netzen suchen. Selbst als die Mobilfunknetze teilweise wieder funktionierten, konnten viele aufgrund der leeren Handy-Akkus und der fehlenden Stromversorgung immer noch nicht telefonieren und beispielsweise keine Hilfe organisieren oder ihre Verwandten und Freunde darüber informieren, dass es ihnen gut geht und was genau sie als Unterstützung brauchen. Zudem gab es ohne Strom auch weitere Probleme. Junge Eltern konnten mangels alternativer Kochmöglichkeiten beispielsweise den Brei oder die Milch für ihre Babys nicht erwärmen.

In diesem Projekt soll daher gezeigt werden, wie man sich auf solche Situationen vorbereiten und mit vorhandenen Mitteln vor Ort eine kleine Ersatzversorgung aufbauen kann. Normale Generatoren erfordern Treibstoff und Wartung. Zudem funktionieren sie ohne regelmäßige Testläufe gemäß Murphys Gesetz „natürlich“ gerade im Notfall nicht. Je nach Bedarf gibt es sehr viele am Markt verfügbare Optionen. So kann eine USB Powerbank reichen oder eine große unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) im Keller. Auch im Caravan Bedarf gibt es entsprechende Anlagen. Diese kosten aber Teils über 1.000 Euro.

Da ich bereits viel mit Strom und Photovoltaik Systemen als Hobby arbeite, entstand die Idee einer mobilen Notstromversorgung auf Photovoltaik-Basis mit Batteriepuffer. Das System sollte einen Batteriespeicher besitzen, das Laden von USB Geräten unterstützen und ein 230V Wechselstrom-System für Dinge des alltäglichen Bedarfs (Flaschenwärmer, Licht, etc.) sowie einen 12V Ausgang für Ladegeräte besitzen. Fertige Lösungen gibt es natürlich zu kaufen. Diese kosten auch entsprechend.

Eine Kernfrage bestand in der Auswahl der Batterie. Kauflösungen setzen fast ausnahmslos auf Lithium-Polymer-Akkumulatoren (auch LiPo genannt). Diese wurden in diesem Projekt jedoch ausgeschlossen, weil die Verwendung von LiPos nicht ganz trivial und erst recht nicht für jeden Handwerker geeignet ist. Zudem gibt es extreme Qualitätsunterschiede, die schnell in einem Brand enden können. Daher wurden normale KFZ-Batterien verwendet. Eine KFZ-Batterie ist überall erhältlich und kann im Worst Case auch aus einem defektem Fahrzeug vor Ort ausgebaut werden. Natürlich sind diese nicht für den Dauereinsatz geeignet, da diese nicht zyklenfest sind. Wir reden jedoch von einem Notsystem, das nur ein paar mal genutzt werden soll. LiFePO4 Akkus sind eine weitere aber noch sehr teure Alternative.

Um mobil zu bleiben, sollte nur ein kleines Photovoltaik-Panel genutzt werden. Die normalen Panele für Häuser haben meist Maße von 1 Meter mal 1,8 Metern. Dies passt nicht wirklich gut in ein Auto oder Lastenfahrrad. Grundsätzlich ist die Wahl der Technik eine Preis- und Geschmacksfrage. Um mehr aus einer kleinen Fläche zu holen, sollte ein monokristallines Modul genutzt werden, weil dieses eine bessere Energieausbeute hat. Genauso gut geht es mit den günstigeren polykristallinen Modulen.

Die letzte technische Frage bezog sich auf den PV-Wechselrichter. Dieser dient als Bindeglied zwischen dem PV-Panel und der Batterie. Es gibt zwei typische Verfahren; PWM-Laderegler (Pulsweitenmodulation) sind hierbei die einfacheren Geräte im Vergleich zu MPPT-Reglern (Maximum Power Point Tracking). Kostenmäßig sind die PWM-Geräte günstiger und reichen für die Anwendung vollkommen aus. Das Ziel bestand schließlich darin, ein günstiges Modul zu bauen.

Der Aufbau

Zuallererst sei darauf hingewiesen, dass im fertigen System auch mit Wechselspannung gearbeitet wird. Für den normalen Maker also Neuland. Arbeiten an diesen Anlagen dürfen nur von einer Elektrofachkraft durchgeführt werden. Sofern der Sinus-Wechselrichter für die 230V Systeme eine fertige Schuko-Steckdose hat, sollte dies nicht weiter ins Gewicht fallen. Aber auch mit 12V kann man bei hohen Ampere Zahlen schöne Lichtbögen erzeugen.

Der Zusammenbau ist relativ einfach und in zwei Stunden erledigt. Die Kosten belaufen sich auf ca. 320 Euro. Wenn man bestimmte Dinge anpasst, können auch die angepeilten 250 Euro erzielt werden.

  1. Um die Batterie vor dem Verrutschen zu sichern, wird eine passgenaue Bodenplatte aus Spannholz zurecht geschnitten. Diese hat eine Aussparung für die Batterie, so dass sie nicht mehr rutschen kann. Die Aussparung muss natürlich je nach Box passend geschnitten werden.
  2. Im nächsten Schritt wird der Strom angeschlossen. Die Sicherungen sollten noch nicht gesteckt sein! Es besteht Kurzschlussgefahr. Bei dem von mir genutzten PV-Set sind bereits alle Kabel enthalten. Bitte achtet bei eigenen Kabeln auf die passenden Kabelquerschnitte (6-10mm) und Sicherungen (maximal 15 cm von der Batterie weg). Als erstes wird das Kabel zum Solar Panel angeschlossen. Plus auf Plus, Minus auf Minus. Da hohe Ströme fließen, bitte fest anziehen. Das PV-Panel wird noch nicht verbunden.
  3. Danach wird die Batterie angeschlossen. In die Plus-Leitung muss eine 20A Sicherung eingebaut werden. Auch hier wieder Plus auf Plus, Minus auf Minus.
  4. Der 230V-Wechselrichter darf nicht direkt an den Solar Wechselrichter angeschlossen werden, weil er zu viel Leistung benötigt. Er muss direkt an die Batterie angeklemmt werden. Bei meinem Wechselrichter waren 2 Kabel mit dabei, welche jedoch nicht direkt angeschlossen werden konnten. Diese habe ich gekürzt, neu gecrimpt und dann entsprechend direkt an die Batterie angeschlossen. Auch hier wird direkt eine Sicherung in der Plus Leitung der Batterie eingebaut, welche ebenfalls noch nicht gesteckt ist.
  5. Am Lastausgang des Solar Wechselrichters wird eine Standard 12V KFZ Buchse angeschlossen. Auch hier ist eine Sicherung in der Buchse eingebaut. An den 12V Ausgang sollten nur kleine Abnehmer angeschlossen werden (Ladegeräte oder kleinere 12V Verbraucher wie LED-Licht).
  6. Nach Verkabelung wird das innere der Box mit Holz ausgekleidet und alles mit Holzleim verbunden. Das Holz-Paneel wird über der Batterie nur aufgelegt und kann zu Wartungszwecken geöffnet werden.
  7. Für den finalen Test werden das PV-Panel angeschlossen und die Sicherungen eingebaut. Das System schaltet sich automatisch ein. Da ich eine Nass-Batterie verwende, habe ich dies im PV-Wechselrichter eingestellt. Bitte prüft daher euren Wechselrichter daraufhin, welche Typen unterstützt werden. Dann wird die 12V Buchse an den Laptop geklemmt und geprüft, ob geladen wird. Funktioniert alles, können die Kabel noch schön verlegt werden und die Batterie initial voll aufgeladen werden.

Im geschlossenen Zustand passt es zusammen mit dem Solarpanel in den Kofferraum eines Autos oder auch in ein Lastenrad. Durch die 6 Meter Kabel kann das Modul genau dort platziert werden, wo gerade Sonne ist.

Was kann die Box?

Da man bei Bleibatterien nie die volle Leistung entnehmen sollte (maximal 50%), kann grob eine 27Ah Leistung erreicht werden, womit der 300W Wechselrichter für eine Stunde bei maximaler Last laufen kann. Natürlich nutzt der Wechselrichter selten die volle Leistung und daher reicht die Batterie im Feldbetrieb normalerweise einen Tag. Zudem wird die Batterie im Betrieb durch das Solarpanel aufgeladen. Je nach Budget und Größe der Box können natürlich größere Batterien benutzt werden. Dies erhöht aber auch das Gewicht. Mit Batterie-Schnellklemmen kann die Batterie auch schnell gegen eine andere Batterie getauscht werden. Daher sollten genügend Kabel in der Box vorrätig sein, um eine externe Batterie schnell anklemmen zu können. Die Auswahl ist daher sehr variabel.

Als geplante Verbesserung ist ein Update des Solar-Wechselrichters auf eine 30A Version geplant, an welcher auch direkt die Module einer bestehenden PV-Anlage angeschlossen werden können. So wurde zu Testzwecken ein 600W Balkonkraftwerk auf dem Gartenhaus montiert, welches aber nur als Insellösung konzipiert war. Hier können auch mehrere Batterien geladen und bei Bedarf in das mobile System eingebaut werden. Es wurde darauf geachtet, dass alle PV-Panele vor Ort (Dach, Garten, mobil) über MC4 Adapter verfügen, damit diese untereinander ausgetauscht werden können. Hierbei ist darauf zu achten, dass die PV-Wechselrichter mit der Leistung der Module klar kommen. Auch hier noch ein Warnhinweis: Die PV-Anlage auf dem Dach hat oft DC-Spannungen über 500V. Bitte niemals unter Last die Verbindungen trennen und unbedingt generell darauf achten, dass die Anlage abgeschaltet und im besten Fall verschattet ist.

Die kleine Box ist regelmäßig beim Outdoor-Einsatz mit dabei und wird auch auf den nächsten Camps vom CCC oder dem niederländischen Pendant dabei sein.

Teileliste:

  • Auto Batterie (in meinem Fall eine Anlasser Batterie, 12V, 45Ah, 400A)
  • 12V auf 230V Wechselrichter
  • 12V Buchse (ein Zigarettenanzünder aus dem KFZ-Bedarf)
  • Solar-Wechselrichter (als Set mit Solarmodul und Kabel, z.B. von Offgrid Tec. Hinweis: Die Sets sind heiß begehrt und ggf. gerade ausverkauft. Viele Baumärkte haben diese auch im Angebot.)
  • PV-Panel (ist ggf. im Set inbegriffen)
  • Anschlusskabel (ist ggf. im Set inbegriffen)
  • Werkzeug (Stichsäge, Seitenschneider, Holzleim, Crimp-Zange sind von Vorteil)
  • Spanplatten 1cm
  • Kiste zum Einbau (Hier nutze ich eine Stanley/DeWalt TSTAK, da ich mein ganzes Werkzeug hiermit organisiere.)
  • Lust am basteln

 

Ab wann ist etwas grob fahrlässig? – Historie von Cell Broadcast in Deutschland

Cell Broadcast, ein technisches System zur Aussendung von Katastropheninformationen über Mobilfunknetze, ist seit dem Hochwasser im Juli 2021 in aller Munde. Dieses System sorgt dafür, dass alle in einer Mobilfunkzelle eingebuchten Geräte eine Information erhalten. Die Information wird dabei nicht einzeln für jedes Gerät ausgesendet, sondern nur einmal – während alle Geräte diese empfangen. Dies sorgt dafür, dass ohne jegliche Kenntnis, wer die Nachricht bekommen hat (datenschutzfreundlich), die Handys in einer bestimmten Region über eine Notlage oder Katastrophe informiert werden, ohne dass das Mobilfunknetz dadurch überlastet wird.

Leider wurde dieses System in Deutschland nie für Kriseninformationen oder den Katastrophenschutz genutzt, obwohl alle Mobilfunknetze seit Anfang der 2000er Jahre technisch zu solchen Aussendungen in der Lage gewesen wären und mehrere Mobilfunknetzbetreiber sogar bis 2010 Experimente durchgeführt haben, bei denen über Cell Broadcast z.B. Verkehrs- oder Wetterinformationen ausgesendet wurden.

Eine erste technische Demonstration des Systems gab es 1997 in Paris. Seit 1999 wird die Technologie laut der Wikipedia in asiatischen, amerikanischen und europäischen Mobilfunknetzen eingesetzt, allerdings in den ersten Jahren für andere Zwecke, als Krisen- und Katastropheninformationen.

Die USA begannen 2006 mit dem Aufbau eines Systems zur Krisen- und Katastropheninformation – unter dem Titel „Wireless Emergency Alerts“ (WEA) – welches auch Cell Broadcast verwendete, um die Menschen zu informieren.

Spätestens seit 2001 ist Cell Broadcast als Möglichkeit zur Katastrophen- und Kriseninformation bekannt. Auf Seite 63 und Seite 64 des Zweiten Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, herausgegeben im Oktober 2001 (https://repository.publisso.de/resource/frl:1997671-1/data), heißt es zur damaligen Situation:

„Das gegenwärtige System zur Warnung der Bevölkerung in Deutschland im Verteidigungsfall sowie bei Katastrophen und größeren Schadensereignissen besteht aus Warnmeldungen und Informationen durch den Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) sowie aus örtlich begrenzten Alarmierungen mit Sirenen. Seine Struktur und sein Ausbau ist für eine rasche, gleichzeitige und umfassende Warnung bei großflächigen Gefahren nicht ausgelegt“

Als mögliche Lösung wird im darauffolgenden Absatz 3.2.2 vorgeschlagen:

„Die Untersuchung von [für ein technisches Warnsystem] geeigneten Technologien und Systemen hat gezeigt, dass unter den genannten Gesichtspunkten im Wesentlichen drei Systeme mit Alarmfunktion für die Mitbenutzung in einem zukünftigen Warnsystem in Frage kommen: Mobilfunk nach GSM- oder UMTS-Standard mit Cell Broadcast-Funktion, Langwellen-Zeitfunk DCF 77 mit zusätzlicher Alarmfunktion und das Radio-Daten-System (RDS) des terrestrischen UKW-Hörfunks.“

Die Bundesnetzagentur hat sich laut Tätigkeitsbericht in den Jahren 2006/2007 sowie 2007/2008 im Rahmen der Mitwirkung an der europäischen Arbeitsgruppe „ETSI EMTEL“ mit Cell Broadcast beschäftigt. Diese Arbeitsgruppe, oder die BNetzA selbst, das wird aus dem Tätigkeitsbericht nicht deutlich, hat eine „Analyse der Anwendbarkeit von SMS und Cell Broadcast Service im Katastrophenfall“ durchgeführt.

Auch in den Bundestagsdrucksachen finden sich Spuren von Cell Broadcast – unserer Kenntnis nach erstmalig im Jahr 2008 auf Drucksache 16/9907. Dort schreibt das BMI: „Nach einem erfolgreichen Test in den Niederlanden wird dieses System im internationalen Rahmen unter Beteiligung des BBK ab 2009 untersucht.“

Die Forschungsergebnisse dieser Untersuchungen des BBK waren bisher nicht auffindbar, weswegen wir dazu eine IFG-Anfrage gestellt haben (https://fragdenstaat.de/anfrage/untersuchung-von-cell-broadcast-seit-2009/)

Seit 2012 ist Cell Broadcast als Komponente des niederländischen Warnsystems „NL-Alert“ im Einsatz und wurde bei Krisensituationen mehrfach mit großem Erfolg genutzt. Die Niederländer berichten, dass Sie mit Cell Broadcast regelmäßig mehr als 90% der Bevölkerung erreichen können.

Seit 2018 gibt es europäische Vorgaben in Artikel 110 der EU-Richtlinie 2018/1972 zur Umsetzung von Cell Broadcast im Rahmen des geplanten Systems „EU-Alert“ – das verbindlich im Juni 2022 fertiggestellt worden sein soll.

Absatz 1 beschreibt unserer Ansicht nach eindeutig Cell Broadcast im Kontext des europäischen Systems „EU-Alert“. Absatz 2 legt dann Ausnahmen dafür fest. Der Wortlaut des Absatzes lautet:

„(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten festlegen, dass öffentliche Warnungen über öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste, bei denen es sich weder um die in Absatz 1 genannten Dienste noch um Rundfunkdienste handelt, oder über eine über einen Internetzugangsdienst verfügbare mobile Anwendung übertragen werden, sofern die Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer, auch derjenigen, die sich nur zeitweilig in dem betreffenden Gebiet aufhalten, gleichwertig ist; dabei tragen sie den GEREK-Leitlinien weitest möglich Rechnung. Öffentliche Warnungen müssen von den Endnutzern leicht empfangen werden können.“

Aus unserer Sicht lässt sich in diesem Absatz 2 der Versuch herauslesen, Apps wie NINA oder KATWARN den gleichen Status wie Cell Broadcast zu geben, aber die Formulierung lässt auch Interpretationsspielraum zu. Wir sind der Meinung, dass Apps wie NINA oder KATWARN eben nicht der „Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer, (…), gleichwertig“ sind.

Nichtsdestotrotz wird sich ein Beamter in der zuständigen Behörde sicherlich darauf berufen, dass der „GEREK-Leitlinien“ im Zweifel „weitestmöglich Rechnung“ getragen wurde und damit die Richtlinie zu EU-Alert als erfüllt gilt.

Als offene Fragen verbleiben zum jetzigen Zeitpunkt:

  • Was ist aus dem BBK-Forschungsprojekt von 2009 zu Cell Broadcast geworden?
  • Welches Ministerium hat sich 2017 und 2018 für diese schwammigen Ausnahmen in EU-Alert eingesetzt?
  • Wer trägt dafür die politische Verantwortung?

Klar ist: Seit 20 Jahren ist die Notwendigkeit von Cell Broadcast im Katastrophenschutz im BMI bekannt, wie der oben zitierte Absatz aus dem „Zweiten Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern“ beweist. An welcher Stelle die Umsetzung von Cell Broadcast im BMI seit 2001 gescheitert ist, ist unklar.

Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen öffentlichen Informationen, scheint es angebracht, die Frage der groben Fahrlässigkeit des zuständigen Ministeriums und seiner nachgeordneten Behörden öffentlich zu stellen. Wenn bekannt war, dass die Alarmierung durch u.A. die Reduktion der Sirenen nicht mehr die gesamte Bevölkerung erreichen kann, warum wurde dann nicht bereits vor 10 oder 15 Jahren, als dies technisch möglich war, Cell Broadcast auch umgesetzt?

Sicherlich kann man den Schuldigen nicht alleine auf dem Stuhl des Bundesinnenministers suchen. Als der zweite Gefahrenbericht 2001 veröffentlicht wurde, saß auf diesem noch Otto Schily. Und nach Schily hatten wir fünf weitere Bundesminister des Inneren. Viel wahrscheinlicher liegt die tatsächliche Verantwortung hier wahrscheinlich bei einem Staatsekretär im Bundesministerium des Inneren – oder sogar mehreren, die diesem Thema in der Vergangenheit, bis heute in fahrlässiger Weise nicht die notwendige Aufmerksamkeit haben zukommen lassen. Ein Land, das sich gerne Hochtechnologieland nennt, sollte es auch auf staatlicher Ebene schaffen, der Technologie nicht hinterher zu rennen, sondern Vorbild und Vorreiter zu sein.

Bereits im Nachgang des Bundeswarntags im September 2020 haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem wir die notwendigen Learnings aus dem Bundeswarntag zusammenfassen.

Offener Brief zur Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021 – Update vom 30.06.2021

Update vom 30.06.2021: Mit weiteren UnterzeichnerInnen geht der offene Brief in eine zweite Runde.

Die AG KRITIS hat den offenen Brief zur Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021 mitunterzeichnet, um ein Zeichen für die Zivilgesellschaft und die kritischen Infrastrukturen zu setzen.

Hier findet ihr darüber hinaus die politischen Forderungen der AG KRITIS.