offener Brief: Vertrauen lässt sich nicht verordnen

Die Gesetze zur Gesundheitsdatendigitalisierung, die diese Woche im Deutschen Bundestag verabschiedet werden sollen, sind äußerst kritisch. Diese sollen, im Schatten der großen Haushaltsdebatte kurz vor Weihnachten noch diese Woche verabschiedet werden.

Mit dem offenen Brief des Innovationsverbunds öffentliche Gesundheit wendet sich ein breites Bündnis der digitalen Zivilgesellschaft an die Öffentlichkeit und Politik, um dieses Vorhaben in letzter Minute konstruktiv aufzuhalten. Unter großer Eile und größerer Intransparenz versucht das Bundesministerium der Gesundheit zwei Gesetze – das Digitalisierungsgesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz – noch diese Woche durchs Parlament zu bringen.

Normalerweise fordert die AG KRITIS die Regulierung von kritischer Infrastruktur. Enge regulative Vorgaben, die auf die Ziele der Authentizität, Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität der kritischen Infrastrukturen abzielen, sind der Weg um der Wirtschaft vorzugeben, welche Maßnahmen unumgänglich sind.

In diesem Fall bestand die Chance, eine Architektur zu schaffen, die von vornherein den vier Schutzzielen genügt – diese Chance hat das BMG leider nicht ergriffen. Die Entwürfe, die diese Woche im Deutschen Bundestag verabschiedet werden, entsprechen nicht dem Stand der Technik.

Die Prüfsteine, die im offenen Brief genannt werden sind unbedingt einzuhalten. Keiner davon ist verhandelbar – denn IT-Sicherheit ist wie eine Ingenieursleistung. Kein Politiker würde auf die Idee kommen, einen Kompromiss zur Traglast einer Brücke zu schließen, denn die Traglast wird von einem Ingenieur berechnet und festgelegt.

Ob ein Schutzniveau angemessen ist, muss von Experten auf wissenschaftliche Weise bewertet werden. Die staatlichen Stellen, die wir uns geschaffen haben, um solche Fragen verbindlich zu bewerten müssen nun nach diesem Gesetzesentwurf zu Fragen der elektronischen Patientenakte nicht mehr berücksichtigt werden.

Das BMG hat es versäumt, trotz mehrfacher Aufforderung aus Zivilgesellschaft und Politik, eine robuste Architektur in einem offenen Konsultationsprozess vorzulegen. Stattdessen wurde die Systemarchitektur unter Verschluss gehalten, mutmaßlich bis das Gesetz durch den Bundestag verabschiedet wurde. Die wenigen belastbaren Daten die es zur Systemarchitektur gibt, lassen nichts gutes vermuten. Das Konzept „confidential computing“ auf das sich der Gesundheitsminister bezieht, ist vage, nicht definiert und kein Ersatz für hochwertige, patientenindividuelle Verschlüsselung.

Wir unterstützen diese breite zivilgesellschaftliche Initiative, die im offenen Brief „Vertrauen lässt sich nicht verordnen“ ausgeführt werden. Die Erstunterzeichner dieses offenen Briefs sind in alphabetischer Reihenfolge:

  1. AG KRITIS
  2. Chaos Computer Club e. V.
  3. D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V.
  4. Deutsche Aidshilfe e. V.
  5. Digitale Gesellschaft e. V.
  6. Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V.
  7. FrauenComputerZentrumBerlin e. V. (FCZB)
  8. Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG) e. V.
  9. Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V.
  10. LAG Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen RLP e. V.
  11. LOAD e. V.
  12. Superrr Lab
  13. Topio e. V.
  14. Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)

Wir fordern die Bundesregierung auf, das Gesetzesvorhaben zu stoppen. Der Text des öffentlichen Brief ist hier verlinkt:

 

Foto von Chris Liverani auf Unsplash