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Stellungnahme zur Entwurfsversion der Bundesnetzagentur zur TR DE-Alert
/in Artikel/von Johannes RundfeldtIm Rahmen der Anhörung zur Technischen Richtlinie DE-Alert (TR DE-Alert) haben auch wir uns mit der vorliegenden Entwurfsversion der Technischen Richtline (TR) DE-Alert beschäftigt und eine Stellungnahme mit konkreten Verbesserungs- und Optimierungsvorschlägen verfasst.
Diese Stellungnahme ist hier verlinkt und wurde von uns fristgemäß bei der Bundesnetzagentur eingereicht.
Wir bedanken uns herzlich bei unserem Mitglied Yves Ferrand für die umfangreiche Recherche- und Vorbereitung und bei diversen Mitgliedern für das Verfassen der Stellungnahme.
Strategielose Cybersicherheit für Deutschland
/in Artikel, Podcast/von AG KRITISMatthias Schulze geht in seinem äußerst gelungen Perceptic0n Podcast Folge 28 [Deutschlands Cybersicherheitsstrategie 2021, Kommentar zum Entwurf] Schritt für Schritt den Entwurf der Cybersicherheitsstrategie 2021 durch und weist fundiert und mit vielen Hintergrundinformationen auf die Probleme dieser und weiterer Strategien in der deutschen Digitalpolitik hin. Die Inhalte aus dieser Folge greifen wir hier auf und ergänzen sie.
Das Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat (BMI) hat vor Ende der Legislaturperiode einen Entwurf für die dritte Cybersicherheitsstrategie in Deutschland vorgelegt. Die erste Version stammt aus dem Jahr 2011. Operatives Abwehren von Angriffen war damals noch nicht enthalten. Im Jahr 2016 erschien die zweite Version, die die Wende von einer defensiven hin zu einer offensiven Cybersicherheitsstrategie markierte und unter anderem eine Liste von Kompetenzwünschen der Behörden enthielt. Der Entwurf von 2021 setzt dieses Vorgehen weiter fort.
In der deutschen Digitalpolitik gibt es z.B. auch eine KI-Strategie und eine Blockchain-Strategie – der Strategie-Begriff wird inflationär und falsch verwendet.
Der Strategie Begriff
Laut Richard Rummelts Buch „Good Strategy. Bad Strategy“ ist eine Strategie im Wesentlichen eine kohärente Reaktion auf ein wichtiges Problem.
Eine gute Strategie besteht laut Rummels dabei aus drei Dingen
- Einer umfassenden Diagnose des Problems welches es zu lösen gilt
- Einer „Guiding Policy“ welche die grobe Marschrichtung zur Lösung des Problems vorgibt und die am besten nur aus einem Schlagwort besteht, das man sich gut merken kann
- Eine Reihe von kohärenten Maßnahmen und „Ressource Commitments“ um die Guiding Policy zu befolgen
Es geht um Maßnahmen, das Bereitstellen von Mitteln (Geld) und um eine Priorisierung der Maßnahmen.
Wichtig ist, dass diese Dinge logisch aufeinander aufbauen und sich nicht widersprechen. Zielkonflikte sind immer ein Zeichen für eine schlechte Strategie. Ein weiterer klassischer Fehler, der in Strategien häufig zu finden ist, ist eine Strategie mit dem Definieren von Zielen zu verwechseln. Eine schlechte Strategie hat viele Ziele aber wenig handfeste definierte Aktionen und Handlungen die nötig sind, um diese Ziele zu erreichen. Eine gute Strategie hingegen hat klar erreichbare Ziele und definiert auch unter welchen Bedingungen die Ziele erreicht sind. Man spricht hier auch von „Smarten Zielen“, wenn klar definiert ist welches die Indikatoren sind, um die Erreichbarkeit der Ziele zu messen.
Die Cybersicherheitsstrategie 2021
Die Diagnose des Problems sollte in Kapitel 5 des Entwurfs der Cybersicherheitsstrategie 2021 zu finden sein. Hier stand aber nur „Noch in Bearbeitung“. Da man doch vom Problem kommen sollte, wenn man es lösen will, ist das kein gutes Zeichen, auch wenn es sich nur um den Entwurf handelt. Im Rückblick auf das Vorgehen bei der Erstellung der letzten Cybersicherheitsstrategie 2016 und bei der bisherigen falschen Verwendung des Strategiebegriffs sowie den Inhalten dieses Entwurfs ist davon auszugehen, das dieses Kapitel 5 in der finalen Version mit Inhalten gefüllt wurde, die zu den bestehenden Zielen und Lösungen passen. Es werden also Probleme zu einer Lösung gesucht oder konstruiert.
Die Strategie hat nicht eine Guiding Policy, sondern vier. Und zwar:
- Cybersicherheit als eine gemeinsame Aufgabe von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft etablieren
- Digitale Souveränität von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft stärken
- Digitalisierung sicher gestalten
- Ziele messbar und transparent ausgestalten
Eine klare Marschrichtung ist hier nur bedingt erkennbar, es handelt sich bei diesen Leitlinien eher um offensichtliche Ziele und Erläuterungen. Schön ist, dass auf Kritik aus der Vergangenheit eingegangen wird und man versucht, die Cybersicherheitsstrategie messbar zu gestalten. Dennoch liegt hier eine Verwechselung vor, denn diese Leitlinien sind eben keine Guiding Policy zum Cybersicherheits-Problem.
Abgeleitete Maßnahmen
Die aus diesen Leitlinien abgeleiteten Maßnahmen sind in vier Handlungsfelder unterteilt:
- Sicheres und selbstbestimmtes Handeln in einer digitalisierten Umgebung
- Gemeinsamer Auftrag von Staat und Wirtschaft
- Leistungsfähige und nachhaltige gesamtstaatliche Cybersicherheitsarchitektur und
- Aktive Positionierung Deutschlands in der europäischen und internationalen Cybersicherheitspolitik
Handlungsfeld 1 – Sicheres und selbstbestimmtes Handeln in einer digitalisierten Umgebung
Ein Beispiel aus dem ersten Handlungsfeld ist „Die digitale Kompetenz bei allen Anwenderinnen und Anwendern fördern.“ Hierbei wird digitale Kompetenz jedoch nicht definiert. Daher wird nicht klar, was gemeint ist und wie die digitale Kompetenz erreicht werden soll. Es steht dort zwar, dass die Maßnahme Forschungsförderung ist. Aber auch wenn das natürlich sinnvoll klingt, handelt es sich eben nicht um eine Maßnahme die auf Anwender:innen fokussiert. Ein Fach „Digitale Bildung“ an Schulen wäre hier sinnvoller weil zielgerichteter. Fachkräftemangel als Teil der Problemdiagnose wird nicht genannt – da die ja auch noch in Bearbeitung ist.
In diesem Zusammenhang ist selbst ohne Problemdiagnose unverständlich, warum das in der Cybersicherheitsstrategie 2016 enthaltene Ziel „Personal gewinnen und entwickeln“ gestrichen wurde. Stattdessen wurde in den Entwurf 2021 nur ein Ziel zur Personal-Kapazität des BSI aufgenommen. Der für resiliente Infrastruktur erforderliche Personalbedarf der Länder und Kommunen wird ignoriert. Ebensowenig wird die Frage berücksichtigt, wie sich ausreichend qualifizierte Cybersecurity-Experten für Behörden-Tätigkeiten gewinnen und halten lassen können.
Die Maßnahmen „Verantwortungsvoller Umgang mit Schwachstellen – Coordinated Vulnerability Disclosure fördern“ und „Verschlüsselung als Voraussetzung eines souveränen und selbstbestimmten Handelns flächendeckend einsetzen“ sind grundsätzlich sinnvoll.
Handlungsfeld 2 – Gemeinsamer Auftrag von Staat und Wirtschaft
Im zweiten Handlungsfeld „Gemeinsamer Auftrag von Staat und Wirtschaft“ sind besonders viele Buzzwords enthalten, es fehlen konkrete Ziele und Maßnahmen.
Handlungsfeld 3 – Leistungsfähige und nachhaltige gesamtstaatliche Cybersicherheitsarchitektur
Und im dritten Handlungsfeld „Leistungsfähige und nachhaltige gesamtstaatliche Cybersicherheitsarchitektur“ wird es besonders spannend: Hier wird systematisch IT-Sicherheit mit Nationaler Sicherheit verwechselt. Nachrichtendienste und nationale Sicherheitsbehörden haben hier offensichtlich ihre Wunschlisten nach neuen Fähigkeiten platziert. Und das steht zum Teil im Wiederspruch zu den vorherigen Maßnahmen. Es ist nicht klar, inwiefern die hier geforderten Maßnahmen der IT-Sicherheit dienlich sind.
Die erste Maßnahme aus dem dritten Handlungsfeld „Die Möglichkeiten des Bundes zur Gefahrenabwehr bei Cyberangriffen verbessern“ beinhaltet eine Grundgesetz-Änderung. Gefahrenabwehr ist das aktive Reagieren auf Cyberangriffe, damit der Bund bei besonders schweren Cyberangriffen zurückschlagen darf. Nicht nur Cyberangriffe sondern auch deren Rückschläge benötigen offene Schwachstellen, womit die vorherige Maßnahme „Verantwortungsvoller Umgang mit Schwachstellen – Coordinated Vulnerability Disclosure fördern“ konterkariert wird. Hier ist auch in Frage zu stellen, warum die Cybersicherheits-Strategie in vielen Aspekten sehr vage bleibt, während Maßnahmen wie eine Grundgesetz-Änderung sehr detailliert formuliert werden.
Dann folgen einer Reihe grundsätzlich guter Maßnahmen bevor es mit „Strafverfolgung im Cyberraum intensivieren“ wieder zu einem Griff in den Giftschrank kommt. Hier geht es um die Erweiterung der Befugnisse für Sicherheitsbehörden und die Kriminalisierung von Hackern. Bei „Den verantwortungsvollen Umgang mit 0-day-Schwachstellen und Exploits fördern“ wollen Nachrichtendienste IT-Sicherheitslücken ausnutzen um fremde Systeme zu hacken. Hierfür möchte die Regierung einen Abwägungsprozess etablieren, der das Vertrauen in das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schwächen könnte.
Eine weitere Maßnahme aus dem dritten Handlungsfeld ist „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung gewährleisten“. Es ist Konsens bei Kryptographie-Experten, dass diese Maßnahme in direktem Konflikt zur Maßnahme „Verschlüsselung als Voraussetzung eines souveränen und selbstbestimmten Handelns flächendeckend einsetzen“ steht.
Die Exploit entwickelnde Hackerbehörde Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) soll weiter ausgebaut werden, was alleine schon aufgrund der unklaren Rechtsgrundlage der Behörde zu kritisieren ist. Unklar ist darüber hinaus, woran bzw. wie die Exploits der ZITiS getestet werden. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) soll gestärkt werden, ohne das hierzu genaue Angaben gemacht werden.
Bei der Maßnahme „Das Telekommunikations- und Telemedienrecht und die Fachgesetze an den technologischen Fortschritt anpassen“ soll der Bundestrojaner und die Rechtsgrundlagen für dieses Instrument erweitern werden.
Handlungsfeld 4 – Aktive Positionierung Deutschlands in der europäischen und internationalen Cybersicherheitspolitik
Das vierte und letzte Handlungsfeld beinhaltet die Ziele für eine aktive europäische und internationale Cybersicherheitspolitik und bleibt dabei sehr vage. Was hier fehlt, ist die kohärente Cybersicherheits-Innen- und Außen-Politik. Wie die Cybersicherheitsstrategie evaluiert werden soll, steht ebenso wenig im Entwurf wie die umfassende Diagnose des Problems.
Fazit
Eine gute Strategie zu erstellen ist sehr schwer, daher kommt es vielfach zu eben diesen Listen von Zielen. In diesem Entwurf ist sehr deutlich zu erkennen, dass die verschiedenen Ministerien Texte hinzugeliefert und im Wesentlichen aufgeschrieben haben, was sie gerne haben wollen. Da wo das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verantwortlich war, geht es am ehesten um IT-Sicherheit und da wo die Sicherheitsbehörden Inhalte geliefert haben, geht es fast nur um neue Befugnisse. Die Problemdiagnose fehlt, die Guiding Policy ist nicht griffig und es gibt widersprüchliche Ziele.
Nicht in der Strategie enthaltene, aber erwartete Ziele, sind zum Beispiel das Beheben von Schwachstellen an der Quelle, also „Herstellerhaftung für Software“ sowie „Einheitliches Vorgehen gegen Ransomware-Angriffe“ und die „Verfolgung von Finanzströmen“. Wie gewährleisten wir die Funktion von Wirtschaft und der Regierung bei einem Angriff, der die Energieversorgung terminiert? Wo ist die OpenSource-Policy die uns helfen könnte Digital Souverän zu werden?
Die auf dieser Basis veröffentlichte Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021 lässt erahnen, welche Digitalkompetenzen bei der Erstellung vorhanden waren, worum es den Erstellern ging und welche Prioritäten dabei an den Tag gelegt wurden.
Der gar nicht ausfallsichere und auch nicht hochverfügbare digitale Behördenfunk
/in Artikel/von AG KRITISDas Digitalfunknetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOSnet) soll eine verschlüsselte und gegen Ausfall besonders gesicherte Infrastruktur bereitstellen, die gerade im Katastrophenfall die Kommunikation der Einsatz- und Rettungskräfte untereinander sicherstellt. In der Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat das nicht funktioniert. Warum?
Das BOSnet ist technisch ähnlich aufgebaut wie ein Mobilfunknetz der 1990er Jahre. Es ermöglicht seinen registrierten Teilnehmern Sprachkommunikation und den Austausch von kurzen Textnachrichten. In der Fläche ist es ausreichend gut ausgebaut, in Gebäuden ist unter Umständen keine Kommunikation möglich. Das Netz besteht aus Basisstationen, die wiederum an eigenen Vermittlungsstellen angeschlossen sind. Die Vermittlungsstellen sind über das Kernnetz untereinander verbunden.
Die Basisstationen empfangen die Funksignale der Endgeräte und leiten diese weiter. Dafür benötigen sie zwei Dinge: Erstens eine Verbindung zu einer BOSnet-Vermittlungsstelle (zur Weiterleitung an das BOSnet-Kernnetz) in Form eines Kabels oder einer Richtfunkstrecke. Zweitens: Strom.
Verantwortlich für den Betrieb des Systems ist die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), die dem Bundesministerium des Inneren unterstellt ist. Der Betrieb des BOSnet ist allerdings eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Sowohl die Auswahl der Standorte für Basisstationen als auch die für eine Basisstation zu installierende Notstromversorgung und die Art, wie und wohin ein Verbindung zur BOSnet-Vermittlungsstelle erfolgt, unterliegen der Hoheit der Bundesländer.
Laut der Vorgaben für das BOSnet muss jede Basisstation über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) verfügen, die einen Stromausfall für einige wenige Stunden überbrücken kann. In der Praxis sind das an vielen Stellen USVs in Form von wiederaufladbaren Batterien, die das System bis zu vier oder sechs Stunden mit Strom versorgen können. Aber irgendwann ist die Batterie trotzdem leer.
Jedes Bundesland legt für seinen Verantwortungsbereich fest, auf welche Art die Versorgung der Basisstationen bei langanhaltenden Stromausfällen sichergestellt wird und realisiert die Lösung im Rahmen seiner Verantwortlichkeit. In Rheinland-Pfalz wird z.B. auf sogenannte mobile Netzersatzanlagen (mNEA) zurückgegriffen, von denen 14 beschafft und dezentral den lokalen Feuerwehren übergeben wurden, um sie bei Bedarf zum Standort einer betroffenen BOSnet-Basisstation zu bringen.
In einer kurzfristig auftretenden und großflächigen Katastrophenlage, wie sie durch die Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen entstanden ist, kann es jedoch dazu kommen, dass die Verbringung der vorhandenen Notstromaggregate nicht schnell genug erfolgen kann. Straßen sind unpassierbar, Brücken weggespült, der Zugang zu betroffenen BOSnet-Basisstationen unmöglich. Zudem erfolgt die Kommunikations-Anbindung vieler Basisstationen über konventionelle Kabelverbindungen, z. B. Glasfaserkabel oder angemietete Übertragungsleitungen, die aus Kostengründen oft auf denselben Strecken verlegt werden, wie andere Strom- oder Kommunikationskabel. Vielfach wurden diese Kabelverbindungen durch das Hochwasser unterbrochen. Somit waren auch etliche BOSnet-Basisstationen ohne Verbindung zur BOSnet-Vermittlungsstelle und zum BOSnet-Kernnetz.
Selbst in dem Fall, dass eine solche Basisstation dann noch mit Strom versorgt ist, kann sie bestenfalls als Knotenpunkt für diejenigen Teilnehmer dienen, die an dieser Basisstation lokal angemeldet sind („Fallback-Modus“). Untereinander können die so verbundenen Teilnehmer dann noch kommunizieren. Eine Kommunikation zur Leitstelle oder jeder anderen Einheit, die keine Verbindung zur lokalen Basisstation hat, ist hingegen nicht mehr möglich. Auch neu zugewiesene Nutzer (z. B. zur Verstärkung nachrückende Katastrophenschutz-Einheiten anderer Landkreise bzw. Bundesländer) können nicht über die verbliebene Basisstation kommunizieren. Denn das notwendige Update der Nutzergruppen-Verwaltung durch die BOSnet-Vermittlungsstelle kann die betroffene Basisstation nicht mehr erreichen.
Bei der Einrichtung des BOSnet und der länderspezifischen Ausgestaltung sowohl der BOSnet-Kernnetz-Anbindungen, als auch der Notstrom-Versorgung wurde durch die Verantwortlichen eine Risikoabschätzung getroffen. Ein dermaßen großflächiger Schaden an der Infrastruktur, der so viele Verbindungen kappt und zu Stromausfällen über mehrere Tage oder Wochen führt, wurde dabei nicht berücksichtigt. Das Risiko wurde wohl als vernachlässigbar gering eingeschätzt. Aus der Sicht von vor einigen Jahren war das vermutlich eine vertretbare Einschätzung, auch wenn die Auswirkungen des August-Hochwassers in Sachsen im Jahr 2002 schon eine Warnung hätten sein können.
Nun sollten aus dieser Katastrophe und dem technischen Versagen des BOSnet Lehren gezogen werden. Dazu gehören:
- Es muss mehr Basisstationen geben, die Gebiete redundant abdecken
- Die Anbindung der Basisstationen zur Vermittlungsstelle muss zwingend redundant erfolgen, und zwar auf unterschiedlichen physischen Wegen (z.B. Richtfunk und Kabel, Richtfunk über unterschiedliche Zubringer, Anbindung über räumlich getrennte Kabelstrecken)
- Alle Basisstationen müssen vor Ort über eine eigene Notstromversorgung (z.B. durch Brennstoffzellen oder Dieselaggregate) verfügen, die Ausfälle über mindestens 72 Stunden überbrücken kann.
Der Artikel wurde von unseren Mitgliedern Yves Ferrand und Mark Neis verfasst. Vielen Dank! Das Bild des Artikels wurde von Fabian Horst aufgenommen, es steht unter einer CC-BY-Lizenz.
Ab wann ist etwas grob fahrlässig? – Historie von Cell Broadcast in Deutschland
/in Artikel/von Johannes RundfeldtCell Broadcast, ein technisches System zur Aussendung von Katastropheninformationen über Mobilfunknetze, ist seit dem Hochwasser im Juli 2021 in aller Munde. Dieses System sorgt dafür, dass alle in einer Mobilfunkzelle eingebuchten Geräte eine Information erhalten. Die Information wird dabei nicht einzeln für jedes Gerät ausgesendet, sondern nur einmal – während alle Geräte diese empfangen. Dies sorgt dafür, dass ohne jegliche Kenntnis, wer die Nachricht bekommen hat (datenschutzfreundlich), die Handys in einer bestimmten Region über eine Notlage oder Katastrophe informiert werden, ohne dass das Mobilfunknetz dadurch überlastet wird.
Leider wurde dieses System in Deutschland nie für Kriseninformationen oder den Katastrophenschutz genutzt, obwohl alle Mobilfunknetze seit Anfang der 2000er Jahre technisch zu solchen Aussendungen in der Lage gewesen wären und mehrere Mobilfunknetzbetreiber sogar bis 2010 Experimente durchgeführt haben, bei denen über Cell Broadcast z.B. Verkehrs- oder Wetterinformationen ausgesendet wurden.
Eine erste technische Demonstration des Systems gab es 1997 in Paris. Seit 1999 wird die Technologie laut der Wikipedia in asiatischen, amerikanischen und europäischen Mobilfunknetzen eingesetzt, allerdings in den ersten Jahren für andere Zwecke, als Krisen- und Katastropheninformationen.
Die USA begannen 2006 mit dem Aufbau eines Systems zur Krisen- und Katastropheninformation – unter dem Titel „Wireless Emergency Alerts“ (WEA) – welches auch Cell Broadcast verwendete, um die Menschen zu informieren.
Spätestens seit 2001 ist Cell Broadcast als Möglichkeit zur Katastrophen- und Kriseninformation bekannt. Auf Seite 63 und Seite 64 des Zweiten Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, herausgegeben im Oktober 2001 (https://repository.publisso.de/resource/frl:1997671-1/data), heißt es zur damaligen Situation:
„Das gegenwärtige System zur Warnung der Bevölkerung in Deutschland im Verteidigungsfall sowie bei Katastrophen und größeren Schadensereignissen besteht aus Warnmeldungen und Informationen durch den Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen) sowie aus örtlich begrenzten Alarmierungen mit Sirenen. Seine Struktur und sein Ausbau ist für eine rasche, gleichzeitige und umfassende Warnung bei großflächigen Gefahren nicht ausgelegt“
Als mögliche Lösung wird im darauffolgenden Absatz 3.2.2 vorgeschlagen:
„Die Untersuchung von [für ein technisches Warnsystem] geeigneten Technologien und Systemen hat gezeigt, dass unter den genannten Gesichtspunkten im Wesentlichen drei Systeme mit Alarmfunktion für die Mitbenutzung in einem zukünftigen Warnsystem in Frage kommen: Mobilfunk nach GSM- oder UMTS-Standard mit Cell Broadcast-Funktion, Langwellen-Zeitfunk DCF 77 mit zusätzlicher Alarmfunktion und das Radio-Daten-System (RDS) des terrestrischen UKW-Hörfunks.“
Die Bundesnetzagentur hat sich laut Tätigkeitsbericht in den Jahren 2006/2007 sowie 2007/2008 im Rahmen der Mitwirkung an der europäischen Arbeitsgruppe „ETSI EMTEL“ mit Cell Broadcast beschäftigt. Diese Arbeitsgruppe, oder die BNetzA selbst, das wird aus dem Tätigkeitsbericht nicht deutlich, hat eine „Analyse der Anwendbarkeit von SMS und Cell Broadcast Service im Katastrophenfall“ durchgeführt.
Auch in den Bundestagsdrucksachen finden sich Spuren von Cell Broadcast – unserer Kenntnis nach erstmalig im Jahr 2008 auf Drucksache 16/9907. Dort schreibt das BMI: „Nach einem erfolgreichen Test in den Niederlanden wird dieses System im internationalen Rahmen unter Beteiligung des BBK ab 2009 untersucht.“
Die Forschungsergebnisse dieser Untersuchungen des BBK waren bisher nicht auffindbar, weswegen wir dazu eine IFG-Anfrage gestellt haben (https://fragdenstaat.de/anfrage/untersuchung-von-cell-broadcast-seit-2009/)
Seit 2012 ist Cell Broadcast als Komponente des niederländischen Warnsystems „NL-Alert“ im Einsatz und wurde bei Krisensituationen mehrfach mit großem Erfolg genutzt. Die Niederländer berichten, dass Sie mit Cell Broadcast regelmäßig mehr als 90% der Bevölkerung erreichen können.
Seit 2018 gibt es europäische Vorgaben in Artikel 110 der EU-Richtlinie 2018/1972 zur Umsetzung von Cell Broadcast im Rahmen des geplanten Systems „EU-Alert“ – das verbindlich im Juni 2022 fertiggestellt worden sein soll.
Absatz 1 beschreibt unserer Ansicht nach eindeutig Cell Broadcast im Kontext des europäischen Systems „EU-Alert“. Absatz 2 legt dann Ausnahmen dafür fest. Der Wortlaut des Absatzes lautet:
„(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten festlegen, dass öffentliche Warnungen über öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste, bei denen es sich weder um die in Absatz 1 genannten Dienste noch um Rundfunkdienste handelt, oder über eine über einen Internetzugangsdienst verfügbare mobile Anwendung übertragen werden, sofern die Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer, auch derjenigen, die sich nur zeitweilig in dem betreffenden Gebiet aufhalten, gleichwertig ist; dabei tragen sie den GEREK-Leitlinien weitest möglich Rechnung. Öffentliche Warnungen müssen von den Endnutzern leicht empfangen werden können.“
Aus unserer Sicht lässt sich in diesem Absatz 2 der Versuch herauslesen, Apps wie NINA oder KATWARN den gleichen Status wie Cell Broadcast zu geben, aber die Formulierung lässt auch Interpretationsspielraum zu. Wir sind der Meinung, dass Apps wie NINA oder KATWARN eben nicht der „Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer, (…), gleichwertig“ sind.
Nichtsdestotrotz wird sich ein Beamter in der zuständigen Behörde sicherlich darauf berufen, dass der „GEREK-Leitlinien“ im Zweifel „weitestmöglich Rechnung“ getragen wurde und damit die Richtlinie zu EU-Alert als erfüllt gilt.
Als offene Fragen verbleiben zum jetzigen Zeitpunkt:
- Was ist aus dem BBK-Forschungsprojekt von 2009 zu Cell Broadcast geworden?
- Welches Ministerium hat sich 2017 und 2018 für diese schwammigen Ausnahmen in EU-Alert eingesetzt?
- Wer trägt dafür die politische Verantwortung?
Klar ist: Seit 20 Jahren ist die Notwendigkeit von Cell Broadcast im Katastrophenschutz im BMI bekannt, wie der oben zitierte Absatz aus dem „Zweiten Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern“ beweist. An welcher Stelle die Umsetzung von Cell Broadcast im BMI seit 2001 gescheitert ist, ist unklar.
Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen öffentlichen Informationen, scheint es angebracht, die Frage der groben Fahrlässigkeit des zuständigen Ministeriums und seiner nachgeordneten Behörden öffentlich zu stellen. Wenn bekannt war, dass die Alarmierung durch u.A. die Reduktion der Sirenen nicht mehr die gesamte Bevölkerung erreichen kann, warum wurde dann nicht bereits vor 10 oder 15 Jahren, als dies technisch möglich war, Cell Broadcast auch umgesetzt?
Sicherlich kann man den Schuldigen nicht alleine auf dem Stuhl des Bundesinnenministers suchen. Als der zweite Gefahrenbericht 2001 veröffentlicht wurde, saß auf diesem noch Otto Schily. Und nach Schily hatten wir fünf weitere Bundesminister des Inneren. Viel wahrscheinlicher liegt die tatsächliche Verantwortung hier wahrscheinlich bei einem Staatsekretär im Bundesministerium des Inneren – oder sogar mehreren, die diesem Thema in der Vergangenheit, bis heute in fahrlässiger Weise nicht die notwendige Aufmerksamkeit haben zukommen lassen. Ein Land, das sich gerne Hochtechnologieland nennt, sollte es auch auf staatlicher Ebene schaffen, der Technologie nicht hinterher zu rennen, sondern Vorbild und Vorreiter zu sein.
Bereits im Nachgang des Bundeswarntags im September 2020 haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem wir die notwendigen Learnings aus dem Bundeswarntag zusammenfassen.
Offener Brief zur Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021 – Update vom 30.06.2021
/in Artikel/von Manuel AtugUpdate vom 30.06.2021: Mit weiteren UnterzeichnerInnen geht der offene Brief in eine zweite Runde.
Die AG KRITIS hat den offenen Brief zur Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021 mitunterzeichnet, um ein Zeichen für die Zivilgesellschaft und die kritischen Infrastrukturen zu setzen.
Hier findet ihr darüber hinaus die politischen Forderungen der AG KRITIS.
Fristverlängerung für die Bewertung der Cybersicherheitsstrategie 2021
/in Artikel/von Johannes RundfeldtDas Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat (BMI) lässt zur Bewertung der Cybersicherheitsstrategie 2021 lediglich eine Woche Zeit. Die Frist für die Abgabe der Kommentierungen wurde vom BMI auf den 16.06.2021 festgelegt, die Veröffentlichung der Strategie erfolgte am 09.06.2021 Aus nicht öffentlichen Quellen wurde uns zugetragen, dass eine Ressortabstimmung entweder nicht geplant oder noch nicht durchgeführt wurde.
Im Regelfall erfolgt die Beteiligung der Zivilgesellschaft erst nach der Ressortabstimmung – wir sind daher über diese frühe Einbindung der Zivilgesellschaft erstaunt, würden uns aber wünschen, dass insbesondere das BMJV im Rahmen der Ressortabstimmung die bürgerrechtsfeindlichsten Abschnitte entfernt hätte, um der Zivilgesellschaft etwas davon abzunehmen.
Vor dem Hintergrund der deutlichsten Kritik aller Wirtschaftsverbände und zivilgesellschaftlichen Initiativen an den extrem kurzen Fristen rund um das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 und den vergleichbar kurzen Fristen bei anderen Vorhaben des BMI im Jahr 2020 und 2021 kann leider nicht von einem lernfähigen BMI gesprochen werden.
Eine bisher äußerst flüchtige Bewertung der CSS 2021 kommt zum gleichen Ergebnis – relevante wissenschaftliche Erkenntnisse zur IT-Sicherheit und Cyberstrategie verschiedener staatlicher Stellen wurden nicht berücksichtigt – auch hier drängt sich uns die Vermutung auf, dass das BMI weder wissenschaftlich-fundiert arbeitet, noch lernfähig oder lernwillig ist.
Wir werden eine detaillierte Stellungnahme bis 07. Juli 2021 einreichen – Dies entspricht vier Wochen Kommentierungsfrist. Wir halten diese vier Wochen für angemessen, da das BMI auf kleine Anfragen regelmäßig die gleiche Frist zur Beantwortung erbittet.
Mit dem Wissen, dass die Beamten im BMI für ihre Tätigkeit bezahlt werden, wir unsere Bewertungen allerdings im Ehrenamt durchführen, halten wir es für angemessen, uns für die Bewertung dieses umfassenden Dokumentes die selbe Frist zu beanspruchen, die das BMI für die Beantwortung parlamentarischer Fragen beansprucht.
Hierzu hat die AG KRITIS auch einen offenen Brief der Gesellschaft für Informatik mit unterzeichnet, der „Angemessene Fristen statt Scheinbeteiligung“ fordert.
IT-Sicherheitsgesetz 2.0 – alle verfügbaren Versionen
/in Artikel/von Manuel AtugHier stellt die AG KRITIS zur Übersicht alle Versionen des IT-Sicherheitsgesetz 2.0 bereit, die irgendwo öffentlich geworden sind, so dass es eine Chance gibt, den Überblick zu halten. Das BMI hat leider versäumt, eine solche Transparenz im Sinne der Gesetzgebung eigenständig vorzunehmen – ebenso gibt es leider weiterhin keine vom BMI bereitgestellten Synopsen, anderweitige Differenzversionen oder Versionen mit Änderungsmarkierungen jeglicher Art.
Timeline der IT-SIG 2.0 Versionen:
18.05.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Vollständiges IT-SiG 2.0) (Vollständige HTML Version via Buzer.de)
18.05.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Beschlossene Fassung aus dem Bundesgesetzblatt) (17 Seiten)
20.04.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Antrag Entschließung CDU/CSU und SPD) (5 Seiten)
20.04.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Änderungsantrag CDU/CSU und SPD) (20 Seiten)
25.01.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Bundestagsfassung) (110 Seiten)
01.01.2021 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Bundestagsfassung) (130 Seiten)
16.12.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Kabinettsfassung) (118 Seiten)
11.12.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (119 Seiten)
09.12.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Anschreiben Verbände) (10 Seiten)
09.12.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (Verbändefassung) (108 Seiten)
01.12.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (92 Seiten)
19.11.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (92 Seiten)
07.05.2020 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (73 Seiten)
27.03.2019 IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (90 Seiten)
To be continued…
Aktuelle Veröffentlichungen zu NIS2 und KRITIS Dachgesetz Referentenentwürfen der AG KRITIS
Alle Veröffentlichungen zu NIS2 Referentenentwürfen findet ihr hier:
Alle Veröffentlichungen zu KRITIS Dachgesetz Referentenentwürfen findet ihr hier:
Vorherige Stellungnahme der AG KRITIS
Bei weiteren sachdienlichen Hinweisen wenden Sie sich bitte an Ihre nächste Kontaktperson der AG KRITIS.
Für Risiken und Nebenwirkungen kontaktieren Sie Ihre Abgeordneten.
BVG-Interpretation der BSI-Kritisverordnung schlicht falsch
/in Artikel/von Johannes RundfeldtDie Interpretation der Berliner Verkehrsbetriebe, dass die BSI-Kritisverordnung für sie nicht gelte, ist aus unserer Sicht schlicht falsch. Wir sind der Meinung, dass die BVG zweifelsfrei die Schwellenwerte der BSI-Kritisverordnung überschreitet.
Die BVG versteht die Formulierung „Anzahl Fahrgäste/Jahr“ in der BSI-Kritisverordnung als „Individuen pro Jahr“ und behauptete gegenüber dem Tagesspiegel, dass sie „lediglich“ 30 Millionen Individuen als Fahrgäste hat. Gleichzeitig wirbt die BVG aber auf der eigenen Website laut Tagesspiegel mit über 1 Milliarde Fahrgästen pro Jahr. Die BSI-Kritisverordnung legt fest, das ein ÖPNV-Betreiber ab 125 Mio Fahrgäste pro Jahr als kritische Infrastruktur gilt.
Selbst wenn die BVG nicht unter die BSI-Kritisverordnung fallen würde, so sollte sie trotzdem – im Sinne der Versorgungssicherheit – die Mindestvorgaben für kritische Infrastrukturen erfüllen und ihre Infrastruktur regelmäßig unabhängig prüfen lassen.
Die laufende gerichtliche Überprüfung, ob die BVG unter die BSI-Kritisverordnung fällt, kann jedenfalls nicht als Grund herangezogen werden, die KRITIS-Maßnahmen nicht trotzdem zu ergreifen.
Von einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen wie der BVG müssen wir erwarten können, dass es unmittelbar und auch ohne gesetzliche Pflicht alle zumutbaren und sinnvollen Maßnahmen umsetzt, welche die Versorgungs- und Betriebssicherheit weiter erhöhen. Alles andere wäre aus unserer Sicht fahrlässig.
Selbst wenn es nicht zu einem Ausfall des Berliner ÖPNV kommt wäre es wahrscheinlich, dass die drohenden Bußgelder am Ende über erhöhte Fahrpreise auf die Fahrgäste umgelegt werden müssten. Des Weiteren ist bereits absehbar, dass der Bußgeldrahmen sich durch das kommende IT-Sicherheitsgesetz 2.0 deutlich vervielfachen wird.
Die BVG sollte daher im Sinne der Berliner Bürger unter der Annahme handeln, dass Sie als größter Verkehrsbetrieb unter die BSI-Kritisverordnung fällt.
Das Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat ist parallel dazu weiterhin gesetzlich verpflichtet, die Umsetzung der BSI-Kritisverordnung zu evaluieren. Im Rahmen einer solchen Evaluierung könnte das BMI auch Einsichten in die kreativen Interpretationsweisen der BSI-Kritisverordnung berücksichtigen, um ähnliche Fälle zukünftig zu vermeiden. Wir fordern daher weiterhin, dass das BMI seinen gesetzlichen Pflichten nachkommt und die fehlenden Evaluierungen durchführt.
Unsere Forderung zur Evaluierung durch das BMI:
IT-Sicherheitsgesetz 2.0 – vierter Entwurf: Jetzt vom BMI nur noch 24h Zeit zur Kommentierung
/in Artikel/von AG KRITISDas BMI hat eine neue Version des IT-Sicherheitsgesetz 2.0 an die Verbände zirkuliert – diesmal von heute morgen (09.12.2020), exportiert um 10:15 Uhr. Laut mehreren Tweets soll die Frist für die Beteiligung nur noch bis morgen um 14:00 laufen – also etwas über 24h.
Vor dem Hintergrund der Montag veröffentlichten „Berlin Declaration“ des BMI, in der es heißt:
„a commitment to the vital role of public administration in digital transformation based on fundamental democratic values, ethical principles and active involvement of civil society by EU member states“
ist diese Frist ein Schlag ins Gesicht der Zivilgesellschaft. Deutlicher kann das BMI nicht mehr hervorheben, dass es nicht wirklich um eine Beteiligung der Zivilgesellschaft geht, sondern eigentlich nur ein Durchwinken vorgesehen wird. Gerade in der für die meisten Menschen stressigen Vorweihnachtszeit für die Bewertung der umfassenden Änderungen nur 24 Stunden Zeit zu lassen, zeigt allen denjenigen, die sich dienstlich oder ehrenamtlich für eine Verbesserung der IT-Sicherheit einsetzen, dass ihre Meinung, Bewertung und demokratische Teilhabe unerwünscht ist.
Die AG KRITIS stellt hierzu fest: Eine so kurze Frist ist der ministerielle Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft!
Auch bei der Veröffentlichung des dritten Entwurfs gab es zuerst nur 2,5 Werktage Zeit für die Bewertung – nach einem Aufschrei auf Twitter hat das BMI dann kommentarlos die Frist auf 5 Werktage geändert und später von einem redaktionellen Fehler gesprochen – ob eine kommentarlose Fristverlängerung jetzt auch passieren wird, bleibt abzuwarten.
Die kurze Frist legt nahe, das trotz durchgängig kritischer Stimmen durch alle Bundesverbände und Interessensvertretungen hinweg, das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 noch unbedingt am 16. Dezember durch das Kabinett beschlossen werden soll.
Wir konnten bestätigen, dass die in diesem Tweet verlinkte Version des IT-SiG2-RefE4 der heute morgen veröffentlichten entspricht:
Es gibt heute schon wieder einen neuen Gesetzesentwurf zum #ITSiG20 (Stand: 09.12.2020), der im Vergleich zum vorherigen Entwurf vom 01.12.2020 signifikate Änderungen enthält, wie ein Abgleich der Dokumente zeigt: https://t.co/TfsKpHeYQF #ITSicherheit #Cybersicherheit #KRITIS
— Stefan Hessel (@stefan_hessel) December 9, 2020
Hier wird die dritte und die vierte Version des IT-Sig2.0 verglichen: https://draftable.com/compare/lupgBxkcRtAd
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