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Das Dunkelfeld in der Auswertung zum Warntag 2023

Was die Umfrage zum bundesweiten Warntag 2023 nicht aussagt

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat Ende Mai 2024 die Auswertung zur Umfrage zum bundesweiten Warntag 2023 veröffentlicht.

Dieser Bericht behandelt die Erkenntnisse, die aus der Online-Umfrage der Bevölkerung zum bundesweiten Warntag 2023 gesammelt wurden. Der Fokus der Umfrage liegt also auf den Empfängern der Warnungen. Obwohl Experten dies vorausgesagt haben, freuen wir uns trotzdem über die wissenschaftliche Bestätigung, dass die Einführung von Cell Broadcast eine gute Idee war und Cell Broadcast überraschend viele BürgerInnen erreicht. Die Wichtigkeit von Cell Broadcast im Warnmittelmix wurde aus unserer Sicht am Warntag bestätigt.

Die AG KRITIS steht jedoch auch im regelmäßigen Austausch mit Katastrophenschutz-Behörden und Rettungsleitstellen im Bundesgebiet, also den Versendern der Warnungen. Deren Erfahrungen mit dem bundesweiten Warntag, ggf. regionalen Warntagen und „echten“ Warnungen der Bevölkerung werden im oben genannten Bericht des BBK leider nicht abgebildet.

Ein Beispiel aus dem Hochwasser in Südwestdeutschland im Mai 2024:
Wie schon im Juli 2021 war Rheinland-Pfalz massiv betroffen, jedoch in anderen Landesteilen. Während im Ahrtal heute flächendeckend elektronische Sirenen mit Hochleistungs-Lautsprechern in Betrieb sind und regelmäßig getestet werden, konnte im nun betroffenen Landkreis Südwestpfalz die Bevölkerung oft nur mittels mobiler Lautsprecheranlagen gewarnt werden.
Zwar läuft seit 2022 auch in dieser Region der Sirenenausbau in hochwasser-gefährdeten Gebieten und Sirenen sind teilweise bereits installiert. Sie konnten beim Hochwasser im Mai 2024 jedoch noch nicht sinnvoll zum Einsatz kommen. Der Grund dafür ist die mangelnde Koordination durch das Land.

Auch mehr als 3 Jahre nach der Flut im Ahrtal sind technische Details zur Ansteuerung der Sirenen noch offen bzw. es fehlt an landes-einheitlichen Festlegungen und Vorgaben für die Kommunen und Gemeinden, wie mit den neuen Sirenen umgegangen werden soll. Die Kommunen und Gemeinden haben keine verbindlichen Vorgaben in welchen Szenarien und Gefahrenlagen alarmiert werden soll. Da die neuen Lautsprechersirenen in der Lage sind, sowohl Warntöne, als auch Lautsprecherdurchsagen zu übermitteln benötigt es auch hier Vorgaben, welche Töne oder Durchsagen in welcher Art verwendet werden sollen. Für diese Notwendigkeit ist der technische Fortschritt verantwortlich: Die alten, analogen Sirenen haben den Klang mechanisch generiert – damit war der genaue Klang ab Werk unveränderbar und eine Vorgabe dieser Art nicht notwendig.

Es braucht genaue Festlegungen,

  • von ausformulierten Warnmitteilungen für definierte Schadenfälle (z.B. allgemeine Gefahrenlage Hochwasser, flächendeckender Stromausfall),
  • für die alleinige Verwendung eines bestimmten Sirenen-Warntons, bzw.
  • für einen Sirenen-Warnton kombiniert mit gesprochenen Warnmitteilungen (z.B. „Achtung Achtung, hier spricht ihre Feuerwehr, Gefahr, ich wiederhole, Gefahr, verlassen sie sofort dieses Gebiet, informieren sie sich über die Medien oder Warn-App, halten sie den Notruf frei„) und,
  • von Alarmierungsadressen für die Ansteuerung über das kommunale digitale Alarmierungsnetz und das BOS-Digitalfunknetz

Derzeit muss jede Verbandsgemeinde-Verwaltung (als unterste Verwaltungsebene in Rheinland-Pfalz und Betreiber der Sirenen) bei ihrer Kreisverwaltung nachfragen, die wiederum bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nachhakt. Diese verweisen nur auf eine zukünftige landes-einheitliche Regelung, können aber nicht konkret weiterhelfen.

Einige Kreise legen daher die technischen Details zur Sirenenalarmierung selber fest. Gut vernetzte Verbandsgemeinden übernehmen die eine oder andere Festlegung, so entsteht dann eine bunter Flickenteppich an verschiedenen Umsetzungen. Andere Kommunen nehmen ihre neu aufgebauten Sirenen aufgrund dieser Rechtsunsicherheit gar nicht erst in Betrieb und warten eine landes-einheitliche Vorgabe ab.

Unser Sprecher Manuel Atug dazu: „Katastrophenschutz ist keine kommunale Spielwiese!

Die AG KRITIS fordert im Nachgang zum bundesweiten Warntag 2023 deshalb:

  1. Die Mittel zur Warnung der Bevölkerung müssen flächendeckend vorhanden und regelmäßig getestet werden.
    1. Der Betrieb und die Beschaffung von Warnmitteln zur Warnung der Bevölkerung müssen explizit in die Hände der Bundesländer gelegt werden. Derzeit delegieren die Länder diese wichtige Aufgaben an die Kommunen, statten die Kommunen dann aber nicht mit den notwendigen Finanzmitteln und technischen Vorgaben aus. Im Ergebnis gibt es nicht überall Sirenen und beispielsweise die Anbindung von Stadtinformationssystemen an das Modulare Warnsystem (MoWas) ist äußerst heterogen.
    2. Wir fordern die verpflichtende Teilnahme aller Kommunen am bundesweiten Warntag. Aktuell erfolgt die Teilnahme am bundesweiten Warntag auf freiwilliger Basis.
  2. Sirenen-Warnung muss endlich einheitlich festgelegt werden:
    1. Kurzfristig muss jedes Bundesland klare Festlegungen treffen hinsichtlich der verwendeten Sirenen-Warntöne, der über elektronische Sirenen gesprochenen Warnmitteilungen, der technischen Festlegungen wie Alarmierungsadressen und der organisatorischen Abläufe wie Standort-Genehmigungsverfahren mit der Bundesnetzagentur. Diese Festlegungen müssen den Kommunen als Betreiber der Sirenen klar kommuniziert werden.
    2. Eine bundesweite Harmonisierung der verwendeten Sirenen-Warntöne und der über elektronische Sirenen gesprochenen Warnmitteilungen ist anzustreben.
  3. Wir empfehlen einen jährlichen regionalen Warntag je Bundesland. Dieser sollte halbjährlich versetzt zum bundesweiten Warntag durchgeführt werden. Damit bestünde die Möglichkeit, umgesetzte Maßnahmen zur Warnung der Bevölkerung auch zwischen den jährlichen bundesweiten Warntagen zu validieren.
    In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern haben sich diese regionalen Warntage im März bereits bewährt.
  4. Ferner ist ein Landes-Förderprogramm zum Sirenen-Ausbau je Bundesland zu empfehlen. Diese können zusätzliche Mittel bereitstellen, unabhängig vom bereits ausgeschöpften bundesweiten Sirenen-Förderprogramm. Jede Kommune in jedem Bundesland sollte Sirenen zur Warnung der Bevölkerung vorhalten.

Vielen Dank für das Foto an Mufid Majnun auf Unsplash

Bundesweiter Warntag 2023: AG KRITIS fordert bundesweite Gesetzesreform für Katastrophenschutz

Bundesweiter Warntag am 14.09.2023: AG KRITIS fordert Stärkung der Warnsysteme und bundeseinheitliche Gesetzgebung

Morgen, am 14. September 2023 werden um 11:00 im Rahmen des bundesweiten Warntages die Katastrophenwarnsysteme in ganz Deutschland getestet.

Unser Sprecher Manuel Atug dazu: „Katastrophenschutz ist keine kommunale Spielwiese!“ –

Johannes Rundfeldt mahnt: „Katastrophenwarnung und deren Übung darf nicht optional sein!“

Wir fordern dringend eine bundeseinheitliche Harmonisierung der Landesgesetze für Brand- und Katastrophenschutz. Die Verantwortung für den Betrieb und die Beschaffung der Warnmittel soll explizit in die Hände der Länder gelegt werden. Derzeit delegieren die Länder diese wichtige Aufgaben an die Kommunen, statten die Kommunen dann aber nicht mit den notwendigen Finanzmitteln aus. Im Ergebnis gibt es nicht überall Sirenen und z.B. die Anbindung von Stadtinformationssystemen ist äußerst heterogen.

Im Rahmen des bundesweiten Warntages erwarten wir, dass in allen drei Mobilfunknetzen 4-stellige Message ID Warnnachrichten per Cell Broadcast ausgesendet werden. Der Stichtag für die Umsetzung dieses Standards wurde bereits im Februar 2023 erreicht. Bedauerlicherweise unterliegt der Stichtag für die Umsetzung von 3-stelligen Message IDs, eine weitere Übergangsfrist, bis 24. Februar 2024.
Dies bedeutet, dass ältere Handys, insbesondere 2G-Geräte und Senioren-Handys – auch bekannt als „Tastentelefone“ – weiterhin nicht von Cell Broadcast Warnungen erreicht werden.
Möglicherweise wird, wie schon im Dezember 2022, immerhin die Telekom Cell Broadcast-Nachrichten für ältere Geräte aussenden.

Die AG KRITIS kritisiert die Tatsache, dass Kommunen die Teilnahme am bundesweiten Warntag freiwillig wählen können, jedoch nicht verpflichtet sind. Ein effektiver Warntag kann nur gewährleistet werden, wenn alle Beteiligten aktiv mitwirken.
Generell begrüßen wir jedoch den Warntag und sehen in ihm eine wichtige Möglichkeit, die Funktionsweise der Warnmittel zu testen und sicherzustellen, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger erreicht werden. Alle Menschen in Deutschland können durch den Warntag die Funktionsweise der verschiedenen Systeme erfahren und so im Ernstfall noch schneller reagieren.

Beim letzten Warntag konnten nach einer repräsentativen Umfrage des BBK  90,8% der Bevölkerung mit mindestens einem Warnmittel erreicht werden. Das sind schon sehr gute Werte, damit die Durchdringung des Warnmittelmixes auch dieses Mal geprüft werden kann, empfehlen wir allen Bürgerinnen und Bürgern, die eigenen Erfahrungen am diesjährigen Warntag an das BBK zurückzumelden.

 

Foto von Etienne Girardet auf Unsplash 

Warntag 2022: Cell Broadcast Umsetzung ist nur halb fertig

Der zweite bundesweite Warntag steht an. Wie schon im September 2020 wird erneut ein bundesweiter Warntag durchgeführt. Am 8. Dezember 2022 ab 11 Uhr werden dabei alle Warnmittel getestet.

Zum Warntag am 8. Dezember soll zum ersten mal „Cell Broadcast“ als neuer Warnkanal zum Einsatz kommen
(siehe auch unser Artikel: „Historie von Cell Broadcast in Deutschland“). Mittels Cell Broadcast werden Warnungen breit als Textnachrichten an alle Mobiltelefone gestreut. Die deutsche Umsetzung von Cell Broadcast heißt „DE-Alert“. Die Technische Umsetzung dazu wurde durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) am 23.02.2022 in Version 1.0 der Technischen Richtlinie DE-Alert (TR DE-Alert) spezifiziert.

Während der Umsetzung hat sich jedoch an einzelnen Stellen gezeigt, dass Anforderungen ergänzt oder in Einzelheiten näher beschrieben werden sollten.

Nach einem weiteren Anhörungsverfahren hat die BNetzA nun kurzfristig die betreffende TR DE-Alert aktualisiert.
Am 23.11.2022 ist diese Version 1.1 in Kraft getreten.
Sie verpflichtete die Mobilfunk-Netzbetreiber, auch die Neuerungen bis zum bereits bekannten Termin am 23.02.2023 umzusetzen.

Die wesentliche Anpassung der Richtlinie aus Sicht der Mobilfunknutzer ist die Unterstützung von Warnnachrichten der höchsten Warnstufe für ältere Mobiltelefone:

In der initialen Version 1.0 der TR DE-Alert wurden nur Warnnachrichten mit 4-stelliger Message ID definiert.
Diese sind von älteren Mobiltelefonen nicht empfangbar, da früher in der Praxis nur dreistellige Message-IDs zur Anwendung kamen. Erst neuere Mobilfunkgeräte unterstützten vierstellige Message IDs.

In einer öffentlichen Stellungnahme gegenüber der Bundesnetzagentur (BNetzA) und in Gesprächen mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) haben wir auf die Problematik hingewiesen.
Die nun in Kraft getretene Version 1.1 der TR DE-Alert gibt nun vor, Warnnachrichten des höchsten Warnniveaus parallel auch mit der dreistelligen Message ID 919 für ältere Geräte bereitzustellen.
Aus unserer Sicht ist dies ein kleiner, aber sehr positiver Erfolg zivilgesellschaftlicher Beteiligung.

Leider kommt diese Änderung in der aktualisierten Richtlinie zu kurzfristig. Zwei Wochen Vorlauf zum Warntag sind zu wenig für eine aktualisierte, verifizierte Implementierung durch die Mobilfunk-Netzbetreiber.

Denn am Warntag 2022 wird ausdrücklich die höchste Warnstufe 1 verwendet, das heißt auch mit Verwendung dreistelliger Message IDs für ältere Mobiltelefone.

Wir haben die drei großen Mobilfunk-Netzbetreiber angefragt:

  • T-Mobile hat uns auf Anfrage mitgeteilt, dass eine Umsetzung der parallelen Warnung für die älteren Mobiltelefone durchgeführt wird, sofern die geänderte TR bis zum 23.11. in Kraft getreten ist. Da die geänderte TR rechtzeitig in Kraft getreten ist, gehen wir davon aus, dass die Anpassungen rechtzeitig erfolgen werden.
  • Vodafone teilte jedoch mit, dass zum Warntag am 8.12. keine Aussendung von Warnungen für ältere Mobiltelefone vorgesehen ist.
  • Telefónica hat unsere Anfrage leider nicht beantwortet.

Nutzer älterer Mobiltelefone werden also am kommenden Warntag nur dann Warnungen erhalten können, wenn das Mobiltelefon entweder schon 4-stellige Message IDs unterstützt, oder aber im Netz von T-Mobile eingebucht ist.

Auch Nutzer neuerer Smartphones mit Android- und iOS-Betriebssystem empfangen die Warnnachrichten nicht unbedingt automatisch. Sie sollten deshalb unbedingt prüfen, ob das eigene Handy dafür korrekt eingestellt ist.
Eine guten Überblick dafür liefert z.B. die Verbraucherzentrale NRW e.V.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ist ausdrücklich an Rückmeldungen zu der Empfangbarkeit der Cell Broadcast-Nachrichten interessiert:
„Die Möglichkeit zum Feedback wird es zur genannten Zeit auf der Website warnung-der-bevölkerung.de, in der Warn-App NINA, auf der Unterseite zum bundesweiten Warntag auf bbk.bund.de und auf den Social Media-Kanälen des BBK geben.“

Wer die Warnungen am Warntag also korrekt empfangen hat oder eben nicht, sollte von der Rückmeldung unbedingt Gebrauch machen.

Unser Sprecher Thomas Blinn hat kürzlich mit TheMorpheusTuts über Warnsysteme und Cell Broadcast gesprochen.
Der vollständige @TheMorpheusTuts Podcast „Über Warnsysteme und Cell Broadcast“ ist verfügbar auf Spotify und Anchor.fm 

 

Beitragsbild im Header ist CC-BY-SA lizensiert. Es wurde von Fabian Horst erstellt.